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Mathe-Angst: So überwindet dein Kind die Matheblockade im Kopf





Donnerstagmittag. Als meine 8- jährige Tochter die Haustür herein stolperte, erkannte ich direkt an ihrem Blick, dass sie am Boden zerstört war. „Was ist los, Schatz? Ist etwas in der Schule passiert?“ fragte ich direkt. Sie warf ihren Schulranzen in die Ecke und ging, ohne ein Wort zu sagen, in ihr Zimmer. So kannte ich meine Tochter nicht und spürte direkt, dass etwas sehr Trauriges passiert sein muss. Ich klopfte leise an ihrer Tür und öffnete sie ganz vorsichtig. Sie hat sich einfach bauchüber auf ihr Bett fallen lassen und schniefte in ihr Kissen. Als sie merkte, dass ich ihm Zimmer stand, sprang sie auf, holte ihren Schulranzen und zog energisch eine Mappe heraus., die sie mir dann mit gesenktem Kopf übergab.

Ich machte die Mappe auf und fand ihre Mathearbeit vor. Dick und fett oben rechts war eine eingekreiste 4 -5 .

Meine Reaktion reduzierte sich auf eine „oh“. Direkt danach warf sie sich wieder schluchzend auf ihr Bett.

Ok. Ok. das hört sich nicht wirklich nach einem Weltuntergang an. Für meine Tochter war es das aber. Ich selbst versuchte sie nun zu beruhigen. Bisher verlief die Grundschulzeit recht easy... bis jetzt! Das war ihre erste schlechte Note.

Für meine Tochter war es das erste Mal schwarz auf weiß, dass ihre Leistung eben „nur ausreichend“ war.

Nach einem langen Gespräch und viel Schokoladenpudding später hatte ich sie wieder zum Lächeln bringen können. Wenn ich mich aber heute mit meiner Tochter über die 4. Klasse unterhalte, sagte sie, das dieser Moment der Anstoß ihre Schulangst und vollem ihrer Matheangst gewesen sei.

In der 4. Klasse stehen die Überführungen zu den weiterführenden Schulen an. Die Kinder bekommen natürlich mit, dass Schulnote immer bedeutender werden. Sie fangen an sich zu vergleichen. Auch vollziehen Kinder in diesem Alter einen Entwicklungsschritt, der ihnen erlaubt Hypothesen aufzustellen. Die Hypothese meiner Tochter lautete wahrscheinlich:

  • Ich bin nicht gut in Mathe.

  • Auch wenn ich gut vorbereitet bin, schreibe ich schlechte Noten in Mathe.

  • Mathe ist unberechenbar!





Mathe viel ihr noch nie ganz leicht. Mir ist aufgefallen, dass das 1 x 1 auch nach unzähligen Wiederholungen nicht sitzen wollte. Besonders auffällig war ihre Schwäche beim Lesen der Uhr. Auch fielen mir die vielen Bauchschmerzen auf, die sich plötzlich immer vor Mathematik-Arbeiten stark bemerkbar machten. Die Lust an Mathehausaufgaben schwand von Tag zu Tag. Der Wechsel auf die weiterführende Schule klappte sehr gut, wenn auch die Mathenote der einzigen Ausreißer war. Damals dachte ich schon an eine vorliegende Matheschwäche.


Kurze Zeit später endete die Schulkarriere zur 5. Klasse in einer ausgewachsenen Angststörung. Meine Tochter entwickelte eine Schulangst, die dazu führte, dass sie keinen Schritt mehr in die Schule setzen konnte. Die Ursachen der Schulangst waren vielfältig, zugleich aber Mathematik und die Angst vor den Klassenarbeiten einen gewissen Anteil daran hatte.


Ich greife nun etwas vor. Durch eine kognitive Verhaltenstherapie lernte meine Tochter mit ihren Ängsten besser umzugehen und geht auch mittlerweile sehr gerne in die Schule. Bei der Behandlung wurde sie natürlich auf Herz und Nieren untersucht. Auch das Thema Matheschwäche wurde untersucht. Erstaunlicherweise war aber das Gegenteil der Fall. Die Tests ergaben neben einem überdurchschnittlichen IQ und auch eine sehr gute Ausprägung im logischen Denken.


Dieses Ergebnis erstaunte meine Tochter, denn es erschütterte den Glaubenssatz, den sie jahrelang gezüchtet hatte:


„Mathe kann ich einfach nicht! Da bin ich zu doof für“


Erste Erkenntnis für dich aus meiner Geschichte kann also sein:

Eine Matheangst hat oft nichts mit einer Dyskalkulie (Rechenschwäche) oder einer fehlenden Kompetenz zu tun, zumindest nicht zwangsläufig.





Wer generell Angst spürt, ist blockiert und das wirkt sich eben immer direkt auf das Denken aus. Und das wird nun mal bei Mathe benötigt. Die Angst vor Mathematik ist in der Bevölkerung stark verbreitet. Das reicht vom nervösen Bauchgefühl vor einer Mathestunde bis hin zur ausgeprägten Mathephobie mit Tendenzen zu Panik und Blackouts.


Bei einer Mathephobie ist die Angst krankhaft gesteigert.


Wer unter einer Mathephobie leidet, der besitzt ein innerliches Anti-Mathe-Programm, das anspringt, sobald man in der Klasse aufgerufen wird, um etwas vorzurechnen. Sobald man im Supermarkt steht und das Wechselgeld nachzählen muss, sobald man auf die Uhr schauen muss und rechnen soll, wie lange noch etwas dauert und so weiter und so fort. Das Leben ist für Kinder und Jugendliche mit Mathephobie unberechenbar.


Matheangst gibt es also wirklich! Genauso wie Flugangst, Angst vor Gewitter oder Höhenangst. Dahinter steckt ein Mechanismus, den man auch in anderen Phobien vorfindet. Der Angstkreislauf ist auch bei der Matheangst zu erkennen und kann von psychosomatischen Beschwerden bis hin zu Panikattacken eine Angstreaktionen auslösen. Eine Mathephobie sollte keineswegs auf die leichte Schulter genommen werden. Unter Umstände kann sich daraus eine manifeste Angststörung entwickeln, die nur noch unter therapeutischen Ansätzen behandelbar ist. Kinder mit einer einer ausgeprägten Matheangst leiden und das oft ein Leben lang.




Eine Mathephobie kann jeden treffen.


Von solche einer Angststörung können alle heimgesucht werden. Lange ging man davon aus, dass die Angst vor Mathematik eher in den höheren Schuljahrgängen entstehen. Aber wie auch in meinem Fall beschrieben, trifft es ebenso die Grundschulkinder. Manche Menschen entwickelt diese Angst sogar erst nach der Schulzeit.


Da nur die wenigsten matheängstlichen Menschen an einer Dyskalkulie leiden (5 -7 % der Bevölkerung) liegen also bei den meisten Betroffenen psychologische Ursachen vor.

Eine Matheangst führt bereits Tage vorher zu Angstreaktionen. Dazu zählen alle psychosomatischen Beschwerden, wie z.B. Bauchweh, Kopfweh, Übelkeit, Schwindel, und Konzentrationsstörungen. Auch Verhaltensauffälligkeiten, wie z.B. Nervosität, Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen, Einnässen, Aggressionen und Rückzug sind beobachtbar. Wenn die Angst sehr stark ausgeprägt ist, passieren auch Blackouts, Panikattacken oder eine „Erstarren an der Tafel“. Interessanterweise ließ sich nachweisen, dass speziell bei der Mathephobie sogar Teile im Gehirn aktiv sind, die für das Schmerzempfinden verantwortlich sind.

Was also tun, wenn das Kind an einer Matheangst leidet?


Üben, üben, üben! Meint man…. Die Herausforderung dabei ist nämlich, dass selbst das Üben Angst hervorruft und so die Kinder durch das ständige Üben oft gar keine Erleichterung herstellen können. Das Thema ist etwas komplexer, wie es scheint.

Kinder und Jugendliche mit einer phobischen Störung suchen gerne im Außen immer wieder Bestätigung für den eigenen, festgeschriebenen Glaubenssatz. Dieser lautet in dem Fall: „Ich bin zu doof für Mathe!“


Wer Mathe übt, macht Fehler, Wer Mathe übt, wird immer mal wieder an seine Grenzen kommen. Den Glaubenssatz "Ich bin zu doof" zu lösen, ist harte Arbeit und erfordert viele keine Erfolgserlebnisse, bei dem das Kind oder der Jugendliche eine andere Überzeugung aufbauen kann.


1. Einbinden der Lehrpersonen

Wichtig sind hierbei die Gespräche mit Lehrpersonen. Gut ausgebildete Pädagogen, vor allem im Fach Mathematik, sollten dieses Thema bekannt sein. Im Gespräch darf gemeinsam die Situation vor Ort und zu Hause, in Bezug auf das „Mathe-Verhalten“, analysiert werden. Eventuell entstehen dabei schon gewisse Lösungsansätze durch z.B. eine besondere Rücksichtnahme der Lehrperson im Unterricht oder ein Gesprächs-Angebot zwischen Lehrperson und Betroffenem. Wenn es mal ausgesprochen ist, fühlt es sich gleich etwas leichter an.




2. Spezielle Nachhilfe gegen Matheangst ist wirksam

Bei mathephobischen Menschen lässt sich häufig eine fehlende Routine in den Grundrechenarten nachweisen. Spezielle Nachhilfe und regelmäßiges Training können dem Kind oder Jugendlichen eine neue Selbstsicherheit schenken. Zudem bieten ausgebildete Nachhilfelehrer durch speziell darauf ausgerichtete Maßnahmen auch immer wieder Erfolgserlebnisse, an denen Betroffene wachsen können.


3. Den Angstkreislauf verstehen lernen

Unabhängig vom Thema spielt die grundsätzliche Angst mit all seinen Symptome eine große Rolle. Der Angstkreislauf verstärkt die Matheangst immer weiter. Eine erste Hilfe kann sein, den Angstmechanismus zu erläutern. Was ist Angst? Wie entsteht Angst und wie wird Angst aufrechterhalten? Wie ist das Zusammenspiel zwischen Gedanken, Gefühlen und Verhalten? Vielen Menschen hilft es schon, den Angstkreislauf zu erkennen und zu wissen, wie und wann man dagegen ansteuern kann. Kognitive Verhaltenstherapien setzen hierbei an. Ist die Angst also sehr groß, sollte unbedingt eine therapeutische Unterstützung gesucht werden.




4. Selbsthilfe zur Hilfe

Das Erlernen von Angstlösetechniken wirkt sich ganzheitlich auch auf die Mathephobie aus. Wenn die Angst im Akutfall schnell gestoppt werden kann, desto weniger Macht bekommt sie (auch für das nächste mal). Hier ein paar gute Selbsthilfebücher (Affiliate Link), die sich gezielt auf die Mathephobie spezialisieren:



Grundsätzlich helfen bei Angstattacken spezielle Atemtechniken, das Anwenden von verschiedenen Entspannungstechniken wie z.B. Autogenes Training oder Yoga oder z.B. Die Handruckmassage bei akuten Ängsten. Erfahre hier mehr in meinem Blogbeitrag: Dein Kind hat Prüfungsangst? So kannst du ihm helfen?

5. Mathe spielerisch vermitteln

Viele kennen das: Wenn man an eine Zitrone denkt, dann zieht sich automatisch alles im Mund zusammen. Bei einer Matheangst können ähnliche Muster im Unterbewusstsein vorhanden sein. Wer die Mathestunde auf dem Stundenplan sieht, bei dem entstehen sofort unangenehme Gefühle und das Angst-Rad beginnt. Um das Kind nun für Mathe zu öffnen, eignen sich besondere Materialien und eine passende Pädagogik. Mathematik mit Steinen, Gegenständen, Bonbons und Kuchen, ist doch gleich viel schöner, oder?


6. Kinder- und Jugendcoaching

Neben den klassischen Psychotherapien stehen in Deutschland auch sehr gut ausgebildete Kinder- und Jugendcoachs für solche Themen bereit. Der Ansatz ist hierbei ressourcenorientiert. Kinder oder Jugendliche werden darin geschult ihre eigene Stärke zu erkennen und mit den eigenen Ressourcen solche herausfordernden Situationen gut zu meistern. Manchmal stecken unbewusste Blockaden hinter einer Matheangst. Kinder und Jugendcoachs können gezielt daran arbeiten.


Zum Schluss möchte ich betonen, dass eine Mathephobie zu den spezifischen Phobien gehören. 10% aller Kinder und Jugendlichen leiden an Ängsten. Spezifische Ängste bilden einen Teil davon.


Schauen wir als genau hin und schenken unseren Kindern Halt, Lösungen und Zuversicht!

Deine Vivienne

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